top of page

Was geschieht während der Einnahme ayurvedischer Präparate?!




Eine Medizin nimmt man meist dann ein, wenn man krank ist und gesund werden möchte. Wenn die jeweilige Medizin die Krankheit heilen kann, ohne dabei nennenswerte Nebenwirkungen zu verursachen, kann die Behandlung als erfolgreich angesehen werden und der Patient ist zufrieden. Ayurvedische Medizin bewirkt jedoch noch mehr. Aufgrund der vielen verschiedenen Heilkräuter und Wirkstoffe, die in der Regel in einem ayurvedischen Medikament enthalten sind, vollzieht sich eine Synthese im weiten Umfang zwischen der äußeren Natur und der inneren Natur des Menschen. Ebenso wie die Muttermilch einem Kind alle wichtigen Nährstoffe und auch Abwehrstoffe schenkt, welche es für seine Entwicklung und Gesundheit benötigt, so schenkt solch eine natürliche Medizin nicht nur Heilung für die jeweilige Krankheit, für die sie verabreicht wird, sondern sie stärkt generell auch das Immunsystem und kann deshalb als Muttermilch der Natur bezeichnet werden.


Während der Jahre 2008 und 2009 gab es in einigen Teilen Süd-Indiens eine Chikungunya-Epidemie. Wenn die Krankheit irgendwo auftrat, wurden nacheinander alle Personen in dem jeweiligen Haus angesteckt. Die Anfangssymptome waren Fieber und starke Gelenkschmerzen, die den Patienten zu einer vollkommenen Bettruhe über ca. zwei Wochen zwangen. Es dauerte Monate und in manchen Fällen sogar über ein Jahr, bis diese Gelenkschmerzen vollständig abgeklungen waren. Ayurveda-Ärzte, die während dieser Zeit in den betroffenen Regionen praktizierten, machten eine interessante Entdeckung. Es zeigte sich nämlich ein deutlicher Unterschied in der Immunabwehr bei den betroffenen Personen. Während es vorwiegend ältere Menschen waren, die am stärksten unter der Krankheit litten, so dass manche sogar daran starben, erkrankten diejenigen Menschen dieser Altersgruppe, die regelmäßige Anwender von ayurvedischen Medikamenten waren, meist auch dann nicht an Chickungunya, wenn alle anderen Familienmitglieder der Krankheit erlagen. Bei denjenigen Ayurveda-Patienten, bei denen die Krankheit dennoch ausbrach, klang sie jedoch in der Regel nach drei bis vier Tagen wieder ab!!!


Heute wird der oft als unangenehm empfundene Geschmack und Geruch mancher ayurvedischer Medikamente als Argument gegen die ayurvedische Medizin verwendet. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Ansicht auf die moderne Lebenseinstellung zurückzuführen, welche alles Natürliche, als roh, unsauber oder fremdartig ansieht. Die moderne Zivilisation sondert den Menschen von der Natur ab und macht ihn zu einer Art Außerirdischen. Heute sind viele Menschen dazu gezwungen zu glauben, dass alles Natürliche irgendwelche Fehler und Mängel aufweist, die nun heute dank der fortgeschrittenen menschlichen Intelligenz und der modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse behoben werden können, indem diese perfekt auf den menschlichen Geschmack abgestimmte Fertigprodukte herstellt! Damit wird die Natur immer mehr zu etwas Unintelligenten, Unberührbaren und Unhygienischen degradiert. Dieses Gefühl, des Anders-Seins und des Nicht-Zugehörigseins zur Natur und der starke Wille diese Natur zu bezwingen oder zu überwinden, entspricht ganz und gar der Rolle einer Krebszelle im menschlichen Körper.


Das moderne Wissen hat uns befähigt, die Inhaltsstoffe in unseren Nahrungsmitteln zu differenzieren und mit Namen zu benennen, so dass wir nun von Kaloriengehalt, Vitaminen, Mineralstoffen, Kohlenhydraten, Proteinen und anderen Substanzen sprechen können. Dieses Wissen hat uns bis zu einem gewissen Grad stolz gemacht, da wir nun glauben, alles über Ernährung zu wissen. Wir vergessen dabei aber die wichtige Tatsache, dass es nicht die moderne Wissenschaft war, durch die wir ursprünglich unsere Grundnahrungsmittel und all das was für den Menschen eßbar ist, herausgefunden haben. Auch in der Zubereitung dieser Nahrungsmittel zu einem schmackhaften Gericht, spielt dieses Wissen ebenfalls keine Rolle. Manche Menschen nehmen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate ein, da sie sehr gut über die wichtige Rolle der Vitamine und Mineralstoffe in unserem Körper Bescheid wissen und darüber, wie sich ein Mangel an diesen Stoffen auf die Gesundheit auswirkt.


Es herrscht auch allgemein die Ansicht, dass der Eiweißbedarf im Körper ausschließlich über die Ernährung gedeckt wird. Wie erklärt sich aber dann die Tatsache, dass die Nahrung von Elefanten beispielsweise nicht besonders eiweißreich ist? Wir müssen akzeptieren, dass es noch viele weitere Faktoren gibt, die in Ernährung, Wachstum, Krankheit, Alterung u. s. w. eine wichtige Rolle spielen. In jungen Jahren findet ein starkes Wachstum statt, in der Lebensmitte herrscht auf den ganzen Körper bezogen, weder Wachstum, noch Verfall und im Alter entsteht ein zunehmender Abbau und Verlust an Vitalität und Kraft. In dieser Entwicklung spielt die Ernährung eine gewisse Rolle, sie gibt aber keine Antwort auf alle Fragen. Unabhängig davon, was sie essen, sind manche Menschen dick und andere dünn; in Bezug auf die verschiedenen Arten von Lebewesen, sind manche groß und andere klein, manche haben eine lange und andere eine kurze Lebensspanne.


Alle Tiere wissen genau, welche Nahrung für sie die richtige ist; sie werden von ihrem Instinkt geleitet, der ihnen weitgehend vorgibt, welche Nahrungsmittel sie fressen sollen. Anders ist dies beim Menschen. Jeder Mensch findet für sich selbst die Nahrung heraus, die für ihn die beste und angenehmste ist. Beim Menschen spielen die an den Körper gebundenen Sinne und der Verstand eine weit größere Rolle in der Auswahl der Nahrungsmittel. Diese bilden eine Negativität, die sich als die Summe aller Bedürfnisse und Verlangen äußert und die auf ganz natürliche Weise ihr Positiv in der Natur findet. Dabei spiegeln sich sowohl die positiven, als auch die negativen Eigenschaften im Menschen in der Auswahl und Art seiner Nahrung wider. Das heißt, dass durch seine Nahrung sowohl die Gelüste, als auch die natürlichen Bedürfnisse gleichermaßen genährt werden. Das innere Wissen in den Tiefen des Bewusstseins lässt uns die für uns richtige Nahrung finden und es kann kein Wissen geben, welches diesem überlegen ist. Und keine andere Nahrung erweist sich als passender, als jene, die von diesem intuitiven Wissen ausgesucht wird. Die Gier oder die unnatürlichen Gelüste bewirken, dass sich der Mensch mit einem natürlichen Geschmack nicht zufrieden geben kann.


Gier in ihren vielfältigen Formen schafft Raum für die vielen unnatürlichen Gelüste und verdeckt das angeborene Wissen. Durch den Konsum von unnatürlicher oder denaturierter Nahrung und künstlichen Geschmacksstoffen hat der Mensch heute seinen natürlichen Sinn weitgehend verloren, der ihn normalerweise instinktiv zur Auswahl der für ihn richtigen Nahrung und Medizin führen würde. Wir haben damit einen Sinn verloren, durch den wir im Gewahrsein sowohl der inneren, als auch der äußeren Natur zu leben vermochten und mit dessen Hilfe wir diejenige Nahrung und Medizin herausfinden konnten, die den Bedürfnissen unserer inneren Natur entsprach. Das Wissen um die ayurvedischen Prinzipien hat seinen Ursprung ebenfalls in Erfahrungen, die durch diesen inneren Sinn gewonnen wurden.


Verglichen mit allen anderen Lebewesen, besitzt der Mensch ein sehr großes Angebot an Nahrungsmitteln und Speisen, vermutlich das größte. Und während andere Lebewesen auf bestimmte Lebensräume und Klimazonen begrenzt sind, dehnt sich der Lebensraum von uns Menschen über den ganzen Globus aus, weshalb wir uns in Ernährung und Lebensweise stark voneinander unterscheiden.


Ausschlaggebend hierfür ist die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Lebens an vielfältige Lebensbedingungen. Die Bedürfnisse des Körpers und der Psyche sind nicht streng festgelegt. Anders ausgedrückt finden diese Bedürfnisse des Menschen und das jeweils vorhandene Nahrungsangebot zu einem gemeinsamen Rhythmus und Ausgleich in jedem Einzelnen, indem beide sich gegenseitig beeinflussen. Dieses Gleichgewicht wird in sich selbst nahezu vollkommen, weshalb jeder seine eigene Nahrung als die allerbeste auf der ganzen Welt empfindet. Abgesehen von all den bekannten und benennbaren Inhaltsstoffen müssen wir auch das Vorhandensein vieler weiterer Faktoren in Betracht ziehen, welche ebenfalls einen positiven oder negativen Einfluss auf Gesundheit und Heilung besitzen. Darüberhinaus ist das Leben kein so einfaches Phänomen, welches sich ausschließlich auf chemische oder biochemische Prozesse zurückführen ließe.


Pflanzliche Heilmittel sollten in dem Sinne verstanden werden, dass sie Defizite in der Ernährung ausgleichen, welche entstehen, wenn das Angebot an Nahrungsmitteln zu wenig Vielfalt aufweist. Das Leben wird immer durch die Suche nach Freude motiviert und dies lässt uns nach immer angenehmeren und schmackhafteren Arten von Nahrungsmitteln suchen und an unseren individuellen Vorlieben festhalten. Gleichzeitig werden dadurch ungewohnte oder als unangenehm empfundene Nahrungsmittel gemieden, was zu Einseitigkeiten führt, die das Immunsystem und die Konstitution schwächen und Krankheiten hervorrufen. Ironisch gesprochen, holen uns die Geschmacksrichtungen, die wir in unserem Speiseplan gemieden haben, in einer ayurvedischen Behandlung in Form von Medikamenten und Pathya, der verordneten Diät wieder ein, während auf Vorlieben, welche zu Apathya gehören, verzichtet werden muss!!!


Ayurveda unterscheidet sechs verschiedene Geschmacksrichtungen: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und adstringierend. Jeder Geschmack, sowohl in der Natur, als auch auf unserem Esstisch ist eine Mischung aus diesen grundlegenden Geschmacksrichtungen. Je nachdem, welche Geschmacksrichtung dominiert, definieren wir ein Nahrungsmittel beispielsweise als süß oder sauer. Aus der Sicht des Ayurveda fallen alle Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette in die Kategorie „süß“. Jeder Geschmack besteht aus unendlich vielen verschiedenen Geschmacksnuancen. Wir wissen aus Erfahrung, dass sich die verschiedenen Fruchtsorten und selbst jede einzelne Frucht einer Sorte in ihrer Süße voneinander unterscheiden. Das gleiche gilt auch für jede Honigsorte und Zuckerart. Um gesund zu bleiben, empfiehlt Ayurveda, dass alle Geschmacksrichtungen in einer Mahlzeit enthalten sein sollten und zwar im Verhältnis der obigen Reihenfolge, so dass süß dominieren sollte, dann sauer, salzig u.s.w.. Ein zu häufiger Genuß einer bestimmten Geschmacksrichtung gilt als ungesund. Je größer also die geschmackliche Vielfalt in der individuellen Ernährung, desto stärker wird auch das Immunsystem sein. Der Widerwille gegen unangenehme oder ungewohnte und der Hang zu angenehmen Geschmacksrichtungen wirkt sich schwächend auf die Gesundheit aus. Von allen Lebewesen auf der Erde, ist der Mensch dasjenige, das am anfälligsten ist für Krankheiten, und die Tiere und Pflanzen, die von ihm gehalten und kultiviert werden, stehen hier gleich an zweiter Stelle. Je stärker der Hang zu allem Angenehmen ist, desto größer ist auch die Neigung zu Krankheiten. Ayurvedische Heilmittel umfassen eine große Bandbreite an Geschmacksrichtungen, welche in der gewöhnlichen Ernährung nicht enthalten sind. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, welcher der Aufmerksamkeit bedarf. Das Durchtrennen der Nabelschnur zur Mutter Natur, ist die Hauptursache für Krankheiten. Ayurveda trägt durch seine Pharmakologie wieder zur Stabilisierung dieser Verbindung bei.


Viele Leute sehen die moderne Variante ayurvedischer Medizin mit Kapseln und überzogenen Tabletten, die den ungewohnten oder als unangenehm empfundenen Geschmack und Geruch verbergen sollen, als eine sehr positive Entwicklunng an, die der ayurvedischen Medizin allgemein eine größere Akzeptanz einbringen kann. Dies sollte aber nicht als Fortschritt, sondern eher als ein Kompromiss verstanden werden. Denn wenn Ayurveda die Wirkungsweise der einzelnen Geschmacksrichtungen beschreibt, so ist sicherlich das bewusste Geschmacksempfinden ausschlaggebend für diese Wirkungsweise. Es reicht also nicht, wenn wir eine bittere Medizin einfach nur schlucken, sondern wir müssen sie tatsächlich auch im Mund schmecken und ihren Geruch durch die Nase wahrnehmen. Auch in den ayurvedischen Schriften finden sich Diskussionen darüber, was wichtiger zu werten sei, der Geschmack oder der Stoff mit seinen Eigenschaften. Im Ashthanga Hrudayam kommt der Autor Vaagbhata zu dem Schluss, dass der Stoff wichtiger ist, als der Geschmack und andere Eigenschaften mit der Begründung, dass alle Qualitäten auf dem Stoff basieren. Dies könnte man als einen Versuch des Autors interpretieren, die Aufmerksamkeit auf die materielle Grundlage zu lenken, in einer Situation, in der dem Geschmack und anderen Qualitäten zuviel Bedeutung beigemessen wurde.


In der heutigen Zeit ist die Situation jedoch genau umgekehrt. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass der Geschmack in einem ayurvedischen Arzneimittel ein ebenso essentieller Faktor ist, wie in Speisen und Getränken. Wie hoch der gesundheitliche Wert oder Nährwert eines Nahrungsmittels auch immer sein mag, wenn sein Geschmack nicht als angenehm empfunden wird, so wird es eher abgelehnt. Anders ausgedrückt, ist es nicht nur das stoffliche Nahrungsmittel, welches vom Körper aufgenommen wird, sondern es werden gleichzeitig auch der Geschmack, der Geruch, die Farbe und das Aussehen durch die Sinne gegessen. Auch im Falle von Krankheiten spielen die Sinne oder der Verstand eine Rolle. Somit kommt der materielle Teil der Medizin dem physischen Körper zugute und der jeweilige Geschmack den Sinnen und dem Verstand. Dieser mag vielleicht unangenehm sein, denn das was als angenehm und sympathisch empfunden wird, das richtet sich auch sehr stark nach den Begierden und unnatürlichen Gelüsten eines jeden Individuums. Schönheit muss gesehen, Musik gehört und Geschmack muss geschmeckt werden damit sie in Erfahrung gebracht werden können. Charaka erklärt dies, indem er sagt: „Es gibt keine Wahrnehmung ohne einen direkten Kontakt.“ Und gemäß Charaka kann keine Wirkung entstehen, ohne dass sich entweder eine Vereinigung oder eine Trennung vollzieht. Somit kann auch diejenige medizinische Wirkung, die auf der Stufe von Rasam eintritt, nicht ohne direkten Kontakt oder direkte Erfahrung erzielt werden.


Gemäß dem Konzept des Ayurveda liegt die Wurzel von Krankheiten grundsätzlich in uns selbst, in unseren Taten und in den Eindrücken, die wir aufnehmen. Auch für die Heilung lehrt uns Ayurveda, Glaube und Vertrauen in uns selbst zu haben, unseren Lebensstil zu korrigieren und die Selbstheilungskraft und das Immunsystem zu stärken. Dies steht im Gegensatz zu der modernen Auffassung, die viele Menschen dazu veranlasst zu glauben, dass es die Natur ist, welche die Krankheiten hervorruft und dass es die Medizinsysteme, Ärzte und Medikamente sind, von denen die Heilung kommt.




Übersetzt von Christine Hein

©Sajan Kumar. S


Aktuelle Einträge